Wohnen ist ein Grundbedürfnis - das macht es für mich zu einem der spannendsten und interessantesten Aufgabenbereiche der Architektur. Beim Wohnen ist jeder ein Fachmann, denn jeder macht es täglich und das seit vielen Jahren.
Es ist in der Geschichte der Architektur schon sehr viel versucht worden und es ist für mich sehr herausfordernd, neue Lösungsansätze zu finden bzw. Altbewährtes neu zu kombinieren. Privatinvestoren stecken ihr Geld lieber in Einkaufszentren, Bürogebäude oder Gewerbezentren bei welchen zwar oft das Risiko besteht, anfangs aus Gründen des Überangebots leer zu stehen, die aber längerfristig trotzdem höhere Erträge versprechen als Wohnungen.
Deshalb bleiben innovative Lösungen im Wohnungsbau eine Seltenheit, denn wo das Geld knapp ist, vertraut man auf das Herkömmliche. Die Wohnungsgrundrisse folgen einem Standard - Schema, das sich seit Jahrzehnten nicht verändert hat. Diese Grundrisse orientieren sich immer noch an den Kleinfamilien, die heute aber viel weniger gesellschaftliche Relevanz besitzen. Heutige Wohnungsgrundrisse müssen flexibel sein, um sich an verschiedene Lebensstadien und Gemeinschaften anpassen zu können.
Doch was zeichnet eine gute Wohnung aus? Eine gute Wohnung sichert dem Einzelnen Rückzug und Geborgenheit, ebenso wie das selbstbestimmte Erleben von (begrenzter) Gemeinschaft. Der Wechsel zwischen beiden Zuständen geht spielerisch Hand in Hand. Innere Grenzen sind ebenso wirksam wie leicht überwindbar. Das Verhältnis von Distanz und Nähe ist graduell justierbar. Alles ist vertraut. Die Einrichtung entspricht unseren vielfältigen Bedürfnissen, sie sorgt für Wohnlichkeit. Wenig bleibt neutral, jede Wohnung ist ein möglichst unverwechselbarer Ort, der sich im Gedächtnis festsetzt.
Die Mehrheit der Bevölkerung in Mitteleuropa träumt immer noch vom Haus im Grünen. Dieser Lebensstil ist aber auf Dauer nicht zu finanzieren und verschwendet nicht wiederbringbare Ressourcen. Es braucht neue Konzepte, die eine hohe Wohnzufriedenheit und Qualität auf engem Raum ermöglichen um dieses Lebensgefühl auch im verdichteten Stadtraum zu erreichen.
Qualitätsvoller Wohnbaubedeutet meiner Meinung nach aber viel mehr als nur die Grundrissgestaltung eines einzelnen Hauses oder einer Wohnung; es beinhaltet gute Verkehrsanbindung, gute Erreichbarkeit der Infrastruktur, eine eigene Identität, Übersichtlichkeit der Erschließung, abwechslungsreiche Freiraumgestaltung, Flexibilität in der Zeit, schonenden Umgang mit Energieressourcen und vieles mehr.
Es zählt zu den großen Herausforderungen, nicht nur gute Wohnungen, sondern auch lebendige Quartiere zu entwickeln. Oft fehlen attraktive Angebote. Nicht selten liegt die Schwachstelle in der mangelnden Verknüpfung von privater Wohnung und (halb)öffentlicher Nachbarschaft. Knapp bemessene Korridore und Treppenhäuser ohne natürliche Belichtung, die sich ausschließlich zur Erschließung eignen, isolieren die einzelne Wohnung und verhindern jegliche soziale Interaktion. „Privat“ und „Öffentlich“ werden zum kaum überbrückbaren Gegensatz, gleitende Übergänge und das qualifizierte Dazwischen fehlen.
Ein Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum bietet viele Vorteile, die Vielfalt des städtischen Lebens spielt sich direkt und greifbar vor der eigenen Haustür ab. Erst durch das Summieren vieler individueller Wünsche ist es möglich, gemeinsame Einrichtungen zur Erfüllung dieser Wünsche zu finanzieren und zu erhalten. Schon deshalb hat man in der Stadt viel mehr Möglichkeiten zur Freizeit- und Berufsgestaltung, aber auch zu sozialen Kontakten.